Beschreibung
‚Posse‘, ‚Lebensbild‘ und – ausgehend von letzterem – später auch ‚Volksstück‘ gelten in der Wiener Vorstadttheatertradition des 19. Jahrhunderts als die dominierenden Gattungen. Als Behelfsbegriffe bleiben sie jedoch selbst in der einschlägigen Forschung nicht selten unreflektiert, und das obwohl – oder gerade weil – ihre Ränder verschwommen sind und eine klare Antwort auf die Frage, was denn nun genau eine ‚Posse‘ und was hingegen ein ‚Lebensbild‘ auszeichne, kaum zu geben ist.Gattungsbezeichnungen können und müssen in einem derart vitalen ‚literarischen Feld‘ als ein Instrument zur Publikumslenkung (Sonnleitner 2000, 43) verstanden und damit in das Konzept einer „Dramaturgie des Publikums“ (Volker Klotz) eingebettet werden. Die Begriffe der Posse und des Lebensbildes können daher nicht losgelöst von den Produktionsfaktoren ihrer Stücke betrachtet werden, sondern haben vielfältige Implikationen. Dazu gehören etwa ökonomische Logiken des kommerziellen Vorstadttheaterbetriebs (vgl. Mansky 2022), die performative Anlage der erhaltenen Bühnentexte und die gewichtige Rolle der Kritik (vgl. Yates 1985). Ein Stück als ‚Posse‘, als ‚Lebensbild‘, als ‚Volksstück‘ zu bezeichnen, ist insofern eine bewusste Setzung mit eminent praxeologischem Wert: ein Doing Genre.
Mein Vortrag verfolgt diese Perspektive mit einer Fallstudie: Indem ich Johann Nestroys „Posse mit Gesang“ Der Unbedeutende (1846) und Friedrich Kaisers „lokales Lebensbild“ Wer wird Amtmann? (1840) vergleiche, lote ich einerseits (nur beschränkt generalisierbare) Tendenzen der beiden Gattungen aus und zeige andererseits, dass ihre Grenzen im Wiener Vorstadttheaterbetrieb um 1850 keineswegs trennscharf, sondern vielmehr beiderseitig permeabel sind.
| Zeitraum | 6 Juli 2023 |
|---|---|
| Ereignistitel | 47. Internationale Nestroy-Gespräche 2023 |
| Veranstaltungstyp | Konferenz |
| Ort | Schwechat, ÖsterreichAuf Karte anzeigen |